Ein warmer Tag beschert zunächst schönes Wetter in Bayern. Doch laut den Modellen soll das am Nachmittag bereits vorbei sein. Ich entscheide mich also, nach Bayern zu fahren, um mögliche Superzellen zu jagen. Auch Estofex hat am selben Tag bereits ein Level 2 herausgebracht und warnt vor grösserem Hagel, Starkregen und möglichen Superzellen.
Ein Blick auf die Karte, und ich weiß, wohin ich fahren werde, nämlich in Richtung Rosenheim, da die Zellen wohl aus den Bergen heraus nach Nordost ziehen werden. Die Fahrt von 340 km und knapp 4 Stunden 30 Minuten ist noch einigermaßen im Rahmen. Besonders zu Beginn eines Stormchasings macht mir das nichts aus – die Vorfreude und das Adrenalin sind grösser als alles andere.
Gegen 13:50 Uhr komme ich an meinem Ziel an, jedoch nicht in Rosenheim, sondern zwei Ausfahrten früher bei Holzkirchen. Von da aus bin ich innerhalb von Sekunden auf der Autobahn und habe direkt am Feldweg freie Sicht nach Südwesten, woher die Zellen schliesslich entstehen und kommen sollen. Kurze Zeit später stösst noch ein guter Kollege von den Unwetterfreaks dazu. Gemeinsam warten wir darauf, dass sich etwas in der Wetterküche tut.
Direkt vor unseren Augen entwickelt sich eine Gewitterzelle, die sich innerhalb von 40 Minuten zu einer Superzelle mausert. Die verschiedenen Stadien halte ich fotografisch fest:
Und was soll ich sagen? Auch wenn es nicht die eigentliche Superzelle ist, auf die wir gewartet haben, gibt sie doch in kürzester Zeit Vollgas und schiesst fast nur CGs heraus. CG ist übrigens eine Abkürzung aus dem Englischen und bedeutet „Cloud-to-Ground“ (zu Deutsch: Wolke-zu-Boden), also einfach ausgedrückt ein Erdblitz. Da es bei Tageslicht fast nur mit einem Blitz-Trigger möglich ist, Blitze fotografisch einzufangen und ich einen solchen nicht besitze, lasse ich einfach eine Videoaufnahme laufen. Durch diese habe ich die Möglichkeit, die einzelnen Frames mit den Blitzen direkt in der Kamera als JPG abzuspeichern.
Darf ich vorstellen: Hier sind die Blitze, und mein Lieblingsbild kommt gleich zuerst. 🤩
Die Zelle dahinter besitzt in diesem Augenblick eine schöne Shelfcloud, die Blitzaktivität ist sehr hoch, und es wird auch bereits Hagel zwischen 3 und 4 cm verzeichnet. Also verlagere ich mich nach Nordost, schiesse noch kurz ein paar Fotos, nehme ein, zwei Videos auf und dann rein in das Ding! Ich mag die Action auch mitten im Kern und nicht nur die schönen Strukturen aussen vor.
Weil es so schön ist, noch drei Panoramabilder. Der Anblick dieser Shelfcloud ist atemberaubend. Kein Foto kann die Emotionen, die man vor Ort in diesem Moment fühlt, wiedergeben. Ein ständiges Dauerdonnern sowie die grünliche Verfärbung wirken schon sehr bedrohlich.
Das dritte Panoramabild entsteht ein paar Minuten weiter nördlich. Kaum habe ich die Panos erstellt, kommen bereits wieder die Blitze. Dabei entsteht auch eines meiner bisher besten Bilder dieser Saison 2024:
Mit dem Ziel, in den Hagel zu fahren (stets mit dem nötigen Respekt und Plan B – umgangssprachlich „Fluchtplan“), muss ich nur ein paar hundert Meter weiter erneut einen Stopp machen. Die bedrohliche und giftgrüne Zelle gibt alles, um so monströs wie möglich auszusehen. Und so ist es auch, denn kaum ausgestiegen, zieht plötzlich der Wind an und vor mir entsteht kurzzeitig ein Wirbel aus Staub, Sand und Kies (ist im Video am besten zu sehen).
Nochmals ein kurzer Check auf dem Radar-Stormtracking von kachelmannwetter.com sowie auf Blitzortung, und dann geht es ab in den Hagel.
Violette Zelle, 4 cm Hagel, 100 km/h Windböen – das wird ruppig. Besonders weil die Zuggeschwindigkeit der Zelle lediglich knapp 30 km/h beträgt, ist es ein Einfaches, in den Kern zu fahren. Doch die langsame Zuggeschwindigkeit birgt auch grosse Gefahr durch Hagelschäden und insbesondere Überflutungen aufgrund des Starkregens. Also fahre ich los – Augen zu und durch.
Nach nur 2 Minuten geht es schon richtig los, die Strasse ist bereits weiß, und es liegen Hagelkörner von 2 bis lokal 4 cm herum. Das ist so dermassen laut im Auto, dass es definitiv Hageldellen geben muss. Eine noch grössere Herausforderung ist es, da wieder herauszukommen, um sich bei Gelegenheit nochmals vor die Zelle zu stellen. Hochwasser, fliegende Äste, Starkregen, der gradlinige Wind sowie Hagel machen es alles andere als einfach. Die Sicht ist fast gleich Null, Warnblinker rein, und allen Gefahren so gut wie möglich ausweichen, bevor man absäuft.
Hier das Video von der Entstehung der Zelle, über viele Blitze bis hin zum Hagel:
Ich versuche wirklich mein Bestes, da wieder herauszukommen – immer im Hinterkopf, was alles passieren kann. Und ich hätte es fast geschafft! Hätte! Argh! Direkt vor mir auf der Autobahn passiert ein Unfall, und ich stehe dann einfach mal 40 Minuten da. Nichts geht mehr vorwärts, doch zum Glück erwische ich eine Lücke zwischen den LKWs, damit ich wenigstens etwas sehen kann.
Meine Kamera drehe ich aus dem Beifahrerfenster, um hoffentlich noch einen Blitz zu erwischen. So knapp vorbei am Rand, aber einen erwische ich, und schon geht es endlich weiter. Doch leider ist der Zeitverlust zu hoch, sodass ich es nicht mehr vor die Zelle schaffe und das Chasing damit abbreche.
Es wird Zeit für den Rückweg, aber dafür bietet sich mir noch ein farbenprächtiger Sonnenuntergang bei München.